Einblick in den Lagerturm des Messerbauroboters mit Werkzeugen für die Kaltband-Längsteilung
| Engineering

Neuer Scherenroboter: Messerscharf kombiniert

Das Waelzholz-Werk in Plettenberg ist auf die Herstellung von vergüteten Federbandstählen und feinschneidfähigen Güten spezialisiert. Das Längsteilen des kaltgewalzten Bandes nach kundenindividuellen Vorgaben stellt dabei einen wichtigen Prozessschritt dar. Für die auftragsspezifische Zusammenstellung der hierfür eingesetzten Werkzeuge hat Waelzholz nun einen Spezialroboter in Betrieb genommen, in dessen Umsetzung viel eigenes Know-how eingeflossen ist. Die Ergebnisse: mehr Effizienz, weniger körperliche Belastung für die Mitarbeitenden sowie ein exakt definierter Schnittaufbau je Artikel.

Das Team um den Plettenberger Produktions- und Projektleiter Martin Krämer ist zurecht stolz auf den neuen Messerbauroboter. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Werkzeuge für die Messerwellen1 an einer der Längsteilanlagen im Werk zusammenzustellen. Dabei muss der Roboter aus gut 3.000 eingelagerten Werkzeugen die richtige Kombination entnehmen. Der Clou: Hinter dieser gezielten Wahl der Messer, Auswerfer- und Stellringe durch den Roboter steckt eine Logik, für die das Wissen der Waelzholz-Spezialisten in Bezug auf die Kombination Messerzustand, Güte und Festigkeit des zu schneidenden Werkstoffs in die Steuerungssoftware überführt wurde. Doch damit nicht genug. Martin Krämer erklärt weitere Besonderheiten: „Der neue Roboter kann nicht nur automatisiert bestimmte Werkzeuge aus einem der drei rotierenden Lagertürme entnehmen und daraus einen Schnittaufbau zusammensetzen. Die Anlage verfügt außerdem über eine Kontrollstation, in der der Zustand der Schneidkanten der Messer ermittelt wird. Vor dieser Messung werden die Messer in einer integrierten Waschmaschine von Schmutz befreit – und das alles im laufenden Roboterbetrieb.“  Besonders ist zudem die enorm präzise Funktionsweise des Roboters, wie Martin Krämer erläutert: „Der Roboter kann Werkzeuge ab einer Breite von 1 mm prozesssicher greifen. Das erfordert ein sehr hohes Maß an Präzision.“

Mitglieder des Projektteams Messerbauroboter im Waelzholz-Werk Plettenberg
Das Projektteam für den Messerbauroboter im Waelzholz-Werk Plettenberg (v. l.): Dr. Michael Hellmann (Betriebsleitung), Martin Krämer (Produktionsleitung), Dennis Fischer (Elektrotechnik Projekte), Philipp Feische (Elektrotechnik Projekte), Lukas Okon (Projektmanagement Bauabteilung), Timo Ludwig (Stellvertretende Leitung mechanische Instandhaltung, vorne), Gregor Winkler (Gruppenleiter Endfertigung, hinten), Furkan Yigit (Industriemechaniker Betriebstechnik), Gezim Krasnici (Industriemechaniker Betriebstechnik)

Waelzholz-Know-how in der Steuerungssoftware

Ein neunköpfiges Projektteam bei Waelzholz hat sich viele Monate intensiv mit der Programmierung und Inbetriebnahme des Roboters beschäftigt. Bei der Zusammenarbeit mit dem Lieferanten war ein hoher Individualisierungsgrad der Anlagentechnik und Softwarefunktionalität möglich. So konnte ein großer Teil der Expertise der Waelzholz-Mannschaft mit eingebracht werden. Ein Beispiel der mitentwickelten Funktionsweisen erläutert Dennis Fischer, Projektmitglied und im Werk Plettenberg für die Elektrik der Anlagen zuständig: „Gemeinsam mit dem Lieferanten der Anlage haben wir die Messerprüfstation darauf getrimmt, den Messerzustand in den von uns gewünschten Abstufungen trennscharf zu identifizieren. Die Messer werden nach jedem Durchlauf kontrolliert. Ist ein Messer nicht mehr scharf genug oder weist Ausbrüche auf, wird es vom System ausgelagert und für die Wiederverwendung in unserer betriebseigenen Schleiferei geschliffen.“ Bei der Prüfung der Messerkanten stellt Waelzholz hohe Anforderungen an die Genauigkeit. „Vor allem bei Werkstoffen mit Funktionskanten muss der Schnitt optimal sein. Dafür müssen unsere Messer in einwandfreiem Zustand sein“, so Fischer.

Darüber hinaus ist es ebendieser Entwicklungsarbeit zu verdanken, dass die Kombination aus exakten Werkzeugvorgaben für den jeweils zu schneidenden Werkstoff und der definierten Beurteilung der jeweiligen Messerzustände gelungen ist. Gregor Winkler, Projektmitglied und im Werk Plettenberg Gruppenleiter in der Produktion, erläutert die Vorteile: „So stellen wir nicht nur den Einsatz der jeweils optimalen Messer sicher. Der definierte und einheitliche Aufbau der Werkzeuge ermöglicht uns bedienerunabhängig, ein wiederholgenaues Schnittergebnis über viele Lieferlose hinweg sicher zu stellen.“

Teamwork über Abteilungen hinweg

Neben der individuellen Robotertechnologie darf auch die reibungslose interne Zusammenarbeit nicht unerwähnt bleiben. Krämer berichtet: „Während der gesamten Projektphase des Messerbauroboters war die abteilungsübergreifende Abstimmung zwischen Elektrik, Mechanik, Produktion und Einkauf erforderlich. Mein Dank gilt allen Beteiligten für ihren hervorragenden Einsatz – von früh bis spät, am Wochenende oder sogar an Feiertagen – und die tolle Teamarbeit.“

Neue Robotertechnologie bedeutet Effizienz und Entlastung

„Unsere Vorgabe für den Hersteller des Roboters war, dass dieser voll automatisiert den kompletten Prozess des Werkzeugbaus abbildet, inklusive der Übergabe und Wiederaufnahme des Schnittaufbaus an das bzw. von dem Drehkreuz. Dies schließt sowohl die bereits erwähnte Kantenkontrolle als auch das Waschen der Werkzeuge mit ein“, fasst Timo Ludwig, ebenfalls Teammitglied im Roboterprojekt und im Werk Plettenberg für die Mechanik zuständig, zusammen. Dieser komplette Prozess erhöht zukünftig die Effizienz an der Längsteilanlage. Was die Mitarbeitenden zuvor mit derselben Genauigkeit per Hand gemacht haben, erledigt nun der Roboter teils schneller und mit einer unermüdlichen Genauigkeit. Die dadurch eingesparte Arbeitszeit können die Mitarbeitenden an der Längsteilanlage produktiv für eine höhere Tonnage einsetzen.

Zudem schätzen die Mitarbeitenden sehr die ergonomische Entlastung, die der Roboter für sie mit sich bringt, denn sie müssen die schweren Werkzeuge nicht mehr von Hand bewegen, wie Ludwig verdeutlicht: „Sind Werkzeuge mehrfach in der Schicht zu wechseln, summiert sich das bewegte Gewicht über den Tag auch schon einmal auf über eine Tonne.“

In Summe stellt der neue Scherenroboter für Waelzholz einen weiteren wichtigen Schritt für die Automatisierung und Optimierung der eigenen Produktion dar. Doch für den Technologieführer sind Roboter in der Kaltwalzindustrie keine Neuheit: Das Unternehmen setzt bereits an mehreren seiner internationalen Standorte Roboteranwendungen für die Qualitäts- und Flexibilitätssteigerung ein.

1 Messerwelle: Zylinderförmige Achse, die für den jeweiligen Längsteilprozess in einer definierten Abfolge mit Werkzeugen (Messer, Gummiauswerfern, Distanzringe) bestückt wird. Im Scherenständer befinden sich zwei Messerwellen übereinander: eine Ober- und eine Unterwelle. Das zu schneidende Material läuft zwischen beiden rotierenden Messerwellen hindurch und wird sauber und präzise nach Kundenvorgabe in die gewünschte Endbreite geschnitten.

Aufbau des Messerbauroboters bei Waelzholz

Schematische Grafik des Aufbaus eines Messerbauroboters bei Waelzholz

01  Längsteilanlage

02  Schutzkabine

03  Drehbare Werkzeuglagertürme

04  Messerkantenkontrollstation 

05  Waschmaschine

06 Robotergreifkopf

07  Werkzeugübergabepunkt zwischen Roboter und Drehkreuz

08  Schnittaufbau

09  Drehkreuz 

10  Laufschiene

11  Scherenständer in der Längsteilanlage 

Prozessschritte innerhalb des Messerbauroboters

Der Weg eines Werkzeugs im Scherenroboter am Beispiel eines Messers (hier blau dargestellt) der Weg vom Werkzeuglagerturm zum Drehkreuz

Schematische Grafik der Prozessschritte innerhalb des Messerbauroboters
Schematische Grafik der Prozessschritte innerhalb des Messerbauroboters

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