OHNE GEHT ES NICHT: WELCHE ROLLE STAHL IN EINER NACHHALTIGEN WIRTSCHAFT EINNIMMT
[Titelmelodie]
Ute Neuhaus: Steel to Zero – Wie der Stahl grün wird. Der Nachhaltigkeits-Podcast von Waelzholz.
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Ute Neuhaus: Wie wasche ich meine Wäsche wirklich nachhaltig? Bei dieser Frage kommt einem der Eco-Waschgang und das Waschmittel mit Blauem Engel in den Sinn – grüner Stahl wohl eher nicht. Doch genau der hat auch Auswirkungen darauf, wie klimafreundlich die Waschmaschine in unserem Keller ist. Wie wichtig ist also grüner Stahl für die Transformation der Industrie? Was ist erforderlich, um grüner zu werden? Und welche Rolle nehmen die Endverbraucherinnen und Endverbraucher auf dem Weg zu diesen nachhaltigeren Produkten ein? Um diese Frage geht es in der dritten Folge des Nachhaltigkeitspodcast Steel to Zero.
[Titelmelodie]
Ute Neuhaus: Ich bin Ute Neuhaus und freue mich darauf, heute mit zwei Gästen zu sprechen, die nicht nur eine lange Geschäftsbeziehung verbindet, sondern auch ihr Fokus auf Nachhaltigkeit. Im Studio sind Konstantin Eckert, verantwortlich für den Stahleinkauf bei Miele, einem der weltweit führenden Hersteller von Hausgeräten mit Sitz in Gütersloh. Hallo Herr Eckert.
Konstantin Eckert: Hallo Frau Neuhaus, freut mich. Vielen Dank für die Einladung.
Ute Neuhaus: … und Dr. Matthias Gierse, Geschäftsführer beim Kaltwalzwerk Waelzholz in Hagen, das Miele mit speziellen Stahlwerkstoffen beliefert. Hallo Herr Dr. Gierse.
Dr. Matthias Gierse: Hallo Frau Neuhaus, grüße Sie auch.
Ute Neuhaus: Nachhaltigkeit ist seit der Gründung von Miele und bis heute zentraler Kern der Unternehmens-DNA. Bei den Elektromotoren der Premium-Hausgeräte kommt hochwertiges Elektroband zum Einsatz, beispielsweise von Waelzholz.
Herr Eckert, in 2021 hat Miele mehr als sechs Millionen Geräte weltweit verkauft – in vielen davon steckt Stahl. Miele ohne Stahl – geht das überhaupt?
Konstantin Eckert: Die Antwort ist einfach: Nein, das geht nicht. Also, die gesamte Produktpalette, wenn Sie an die Waschmaschine, den Backofen etc. denken, ist abhängig vom Stahl, verbaut Stahl und ist auch ohne Stahl nicht denkbar. Um da vielleicht mal eine Größenordnung, wie viel Stahl Miele einkauft, zu nennen: Das waren im Jahr 2020 ungefähr 110.000 Tonnen Metalle, die wir eingekauft haben. Das ist vielleicht für die Automobilindustrie im Vergleich jetzt nicht so viel – für uns ist das relativ viel. Wenn man sich das in Autos vorstellt, ist es auch relativ viel. So ein Auto wiegt irgendwo in der Mittelklasse 1,5 Tonnen, das heißt wir reden hier von 70.000 Fahrzeugen aneinandergereiht als Äquivalenz zu der Stahlmenge, die wir eingekauft haben.
Ute Neuhaus: Ja, und in den Motoren dieser Hausgeräte von Miele kommt ein spezieller Stahl zum Einsatz, nämlich Elektroband. Und das eben auch von Waelzholz. Was ist für Sie denn das Besondere an genau diesem Material?
Konstantin Eckert: Miele zeichnet sich dadurch aus, dass wir eine relativ hohe Fertigungstiefe haben. Sie haben das angesprochen: Wir bauen unsere Motoren selbst. Das heißt, wir sind abhängig von qualitativ sehr hochwertigen Vorprodukten, die wir dann selber weiterverarbeiten. Miele – ich denke, das ist bekannt – hat einen hohen Anspruch an die Qualität unserer Endprodukte und die wiederum ist direkt verbunden mit den angesprochenen Vorprodukten. Und genau für diese Elektromotoren brauchen wir Elektrostahl.
Dr. Matthias Gierse: Ja, und wir versuchen, mit unseren Elektrobandlieferungen, mit hochqualifizierten Produkten, die Langlebigkeit und die Effizienz dieser Motoren positiv zu beeinflussen. Und zwar kann man durch Verringerung der Materialdicke die Wirbelstromverluste minimieren, so entsteht beim Betrieb des Motors weniger Wärme. Daraus resultiert eine höhere Effizienz des Motors.
Ein anderer Aspekt ist Walzen in engsten Toleranzen. Dies ermöglicht dann schließlich, dass man die ausgestanzten Bleche zu Statorpaketen mit einer sehr hohen Formstabilität und Genauigkeit verbinden kann, was die Lebensdauer des Motors auch positiv beeinflusst.
Ute Neuhaus: Ich nehme also mit: Hohe Qualität beim Stahl erhöht einmal die Energieeffizienz und auch die Lebensdauer der Hausgeräte. Ohne diesen Stahl geht’s also nicht. Und Stahl ist ja glücklicherweise auch recyclingfähig. Wie ist das denn bei Miele: Wird der Stahl aus Ihren Produkten wiederverwendet?
Konstantin Eckert: Das fängt an mit der Lebensdauer, nehme ich mal das Beispiel der Waschmaschine: Da ist Miele traditionell ausgerichtet, hier die längste Lebensdauer zu bieten. Wir sind das einzige Unternehmen in der Branche, das seine Produkte auf eine Lebensdauer von bis zu 20 Jahren testet. Das wird auch unterstützt durch die Reparierbarkeit der Produkte. Wir haben selbstverständlich auch einen Ersatzteilservice, auch für Geräte, die vor vielen, vielen Jahren ihre Markteinführung hatten. Und wenn es am ganz Ende doch dazu kommt, dass man sich von einem Gerät trennt, dann sorgen wir über unser Händlernetz dafür, dass insbesondere die Stoffe, die recycelt werden können, auch dem Kreislauf zurückgeführt werden. Und das ist, Sie haben’ es genau richtig angesprochen, Stahl natürlich.
Ute Neuhaus: Da ist Recycling ja sicherlich insgesamt ein großes Thema bei Miele. Langlebigkeit – natürlich, man soll die Produkte lang benutzen. Aber wie schaut es aus, wenn Sie jetzt neue Produkte konzipieren, wie sieht es aus mit Recyclingfähigkeit aller möglichen Komponenten?
Konstantin Eckert: Im Produktentwicklungsprozess spielt das bei Miele eine entscheidende Rolle, dort die Weichen so zu stellen, dass am Ende ein Produktdesign konzipiert und gebaut wird, das Materialien verwendet, die sich eben durch die Recyclingfähigkeit auszeichnen.
Ute Neuhaus: Ja, Stahl ist also ein vielseitiger Werkstoff: Hohe Qualität, wunderbar recycelbar. Wäre also perfekt, wenn da nicht die hohen CO2-Emissionen wären, die bei der Herstellung entstehen – was damit auch den CO2-Fußabdruck der Miele-Produkte verschlechtert. Was tun Sie denn bei Miele, um Ihren Product Carbon Footprint zu verringern?
Konstantin Eckert: Das müssen wir und das wollen wir. So, was heißt das konkret in Zahlen? Wir haben vor, die CO2-Emissionen im Scope Eins und Zwei bis 2030 um 50 Prozent zu senken gegenüber der Basis 2019. Wir sind jetzt schon seit 2021 in der Bilanz CO2-neutral, bezogen auf den Scope Eins – also alles, was bei uns selber im Unternehmen entsteht, rund um die Fertigung und Assemblierung unserer Produkte – und auch den Scope Zwei – das betrifft alles, was wir an Energie von externen Quellen beziehen. Wir haben’ es in der Vergangenheit schon geschafft, gegenüber 2019 die Emissionen aus Scope Eins und Zwei um 40 Prozent zu senken. Weiter geht’s!
Ute Neuhaus: 40 Prozent seit 2019 ist ja schonmal ein hoher Wert. Was konkret haben Sie gemacht?
Konstantin Eckert: Wir haben natürlich in die Energieeffizienz unserer eigenen Standorte investiert. Wir haben die erneuerbare Energienutzung deutlich erweitert. Es geht natürlich auch mit unserem Partner Waelzholz an das Thema Emissionen im Scope Drei-Punkt-Eins, also sprich in der Lieferkette.
Ute Neuhaus: Das wäre auch das, worauf ich jetzt nochmal zurückkommen wollte: Was beinhaltet bei Ihnen Scope Drei?
Konstantin Eckert: Jetzt haben wir schon so viel über Scope Eins, Zwei, Drei geredet… Man sortiert ja die CO2-Emissionen eines Unternehmens in diese verschiedenen Scopes, um zu analysieren, wo sie denn herkommen, diese CO2-Emissionen. 85 Prozent aller CO2-Emissionen, die Miele zugerechnet werden, entstehen durch die Nutzung der Geräte bei unseren Kundinnen und Kunden über die Lebensdauer. Bei diesen CO2-Emissionen, das haben wir schon kurz angesprochen, sind wir schon sehr gut aufgestellt. Die Langlebigkeit der Geräte zahlt massiv positiv auf die CO2-Bilanz der Geräte ein. Wenn Sie eine Waschmaschine zehn Jahre nutzen, haben Sie eine ganz andere CO2-Bilanz, als wenn Sie sie 20 Jahre nutzen.
Ute Neuhaus: Also ich lerne gerade, Scope Drei bei Miele heißt im Wesentlichen: Kunden, Kundenseite, Verbraucherinnen, Verbraucher. Auf der anderen Seite geht es aber beim Stahl dann auch um Scope Drei. Das heißt das, was Sie zukaufen. Wie schaut es denn da aus?
Konstantin Eckert: Ja, Stahl ist mit über 30 Prozent die Warengruppe, die den höchsten CO2-Emissionsanteil in unseren eingekauften Materialien hat. Sprich, und das ist jetzt die Überleitung zu Ihrer Frage: Grüner Stahl ist hier ein möglicher Weg für uns, massiv CO2-Emissionen zu reduzieren. Und genau diesen Weg werden wir als Unternehmen gehen. Natürlich in Zusammenarbeit mit der Industrie, weil wir sind ja abhängig von unseren Partnern, unseren Lieferanten, uns auch diesen grünen Stahl zur Verfügung zu stellen. Wir haben jetzt beispielsweise schon für unsere Backöfen, für ein Einbauteil dort, CO2-armen Stahl. Wir haben mit diesem Stahl, den wir da verbauen, die CO2-Emissionen um 66 Prozent verringert.
Ute Neuhaus: Da nehme ich mit, dass grüner Stahl oder Stahl in Summe schon einen Impact hat, einen Einfluss darauf, wie grün die Miele-Produkte letztendlich werden können. Und da sind wir dann beim Wertschöpfungsnetzwerk Stahl. Herr Dr. Gierse, wie schaut es denn da aus, mit Scope Drei bei Waelzholz?
Dr. Matthias Gierse: Ja, die Scope-Drei-Emissionen bei Waelzholz entstehen beim Einkauf unserer Vorprodukte, unserer Rohmaterialien, im Wesentlichen Warmband. Wir machen aus einem Warmbandring, aus einem Warmbandcoil, in der Regel eine Vielzahl unterschiedlicher Kundenaufträge mit zum Teil auch sehr unterschiedlicher Fertigungstiefe. Aus dem Grund ist es eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, den eingekauften CO2-Footprint, also die Scope-Drei-Belastung, korrekt auf jeden dieser einzelnen Kundenaufträge überhaupt aufzuteilen.
Beim Warmband resultieren die Emissionen aus der Rohstahlerzeugung. Wenn wir unsere Bilanz anschauen, dann haben wir einen Anteil von etwa 90 Prozent, der auf den Scope Drei, also auf zugekaufte CO2-Emissionen entfällt. Wir sehen, dass damit Scope Drei, also der Zukauf von Rohmaterialien, den mit Abstand größten Hebel bei unserem Weg in Richtung Klimaneutralität bietet. Wir erproben CO2-reduziertes Material aus unterschiedlichen Routings und teilen natürlich auch die Verarbeitungsergebnisse mit unseren Lieferanten, um zu unterstützen, diesen Weg weiterzugehen.
Ute Neuhaus: Ja, bei Miele, wir haben das vorhin schon gehört, ist die Verarbeitungstiefe hoch. Das heißt, grüner Stahl wird auch direkt beeinflussen, dass Miele-Produkte grün werden können. Das heißt aber auch, in diesem Wertschöpfungsnetzwerk, in dieser Wertschöpfungskette müssen Sie Einfluss nehmen. Herr Eckert, wie machen Sie das?
Konstantin Eckert: Ich würde das gern noch aufgreifen, was Sie am Anfang gesagt haben, einfach, um das nochmal zu betonen. Also: Sowohl Miele wie auch alle anderen, wie auch die Automobilindustrie, werden darauf angewiesen sein, grünen Stahl einzukaufen, wenn sie an die CO2-Emissionen in ihrem Einkaufsportfolio rangehen wollen und das nachhaltig verbessern wollen, da führt kein Weg dran vorbei. Da steckt eine riesige Transformation der Stahlindustrie dahinter. So, und was wir als Miele tun, ist auf die Stahlhersteller einzuwirken und zu sagen: „Wir möchten mit euch den Weg zu grünem Stahl gehen.“ Wir müssen auch darauf achten, dass wir Produkte bauen, die der Markt kaufen kann und kaufen möchte, aber ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist, den die Industrie hier eingeschlagen hat.
Ute Neuhaus: Das ist eine sehr zuversichtliche Perspektive und es ist ja so, es nützt nichts, wenn der Stahl letztendlich zu 66 Prozent grün ist, sondern er muss komplett grün sein. Nimmt denn Miele, Herr Dr. Gierse, mit diesen hohen Anforderungen einmal an die Produktqualität, aber auch mit den Forderungen nach grünem Stahl eine Sonderstellung ein?
Dr. Matthias Gierse: Miele hat schon sehr hohe Anforderungen an uns, was aber auch nicht verwundert, weil unsere Materialqualität letztlich die Nachhaltigkeit der Produkte bei Miele ja auch direkt beeinflusst. Wir haben aber auch hohe Ansprüche an uns selbst: Klimaneutralität bis 2045 sicherzustellen. Wir können belastbare Aussagen zur Klimabilanz unserer Produkte geben und das sehen wir als ein Teil unserer industriepolitischen Verantwortung, aber auch natürlich als Service für unsere Kunden. Das heißt, wir können heute unseren Kunden den Product Carbon Footprint für jeden Artikel einzeln nennen. Letztlich glauben wir, dass es sehr wichtig ist, die CO2-Bilanz unserer Produkte transparent zu machen, damit am Ende des Tages alle wissen: An welchen Zahlen muss gearbeitet werden und in welcher Form sind dann tatsächlich Reduzierungserfolge auch messbar.
Ute Neuhaus: Also ich lerne gerade, dass der Weg hin zur Klimaneutralität nur ein gemeinsamer sein kann. Alle im Wertschöpfungsnetzwerk Stahl müssen zusammenarbeiten, es greift doch alles ineinander. Diese Partnerschaft zwischen Miele und Waelzholz ganz konkret, ist das das Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit oder ist das jetzt schlicht eine Notwendigkeit?
Dr. Matthias Gierse: Sowohl als auch. Uns verbindet eine langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit und wir glauben, wir haben auch ein gleiches Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung und von Nachhaltigkeit. Man muss sicherlich auch konstatieren, dass die Stahlbranche entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten muss. Deshalb haben wir großes Interesse daran, an der Transformation der Stahlindustrie, die ja schon im Gange ist, mitzuwirken und uns da aktiv einzubringen. Aber auch Wirtschaft und Politik müssen da an einem Strang ziehen, um die Chance zu haben, den Zielen des Pariser Klimaabkommens auch nur näher zu kommen.
Konstantin Eckert: Sehe ich genauso. Wir haben natürlich eine Verpflichtung, aber auch eine Möglichkeit als Premium-Hersteller, hier Nachhaltigkeit mit voranzutreiben. Es gibt einen Satz bei uns im Unternehmen, aus der Geschäftsführung, der da sagt: „Man wird in naher Zukunft nicht mehr zwischen Wirtschaftlichkeit und nachhaltigem Handeln trennen können.“ Das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Meine Kinder – ich habe zwei – die werden noch einige Jahrzehnte länger als ich auf dieser Erde leben und ich hoffe sehr, dass diese Dynamik der letzten Jahre noch irgendwie bremsbar ist. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es sonst in 30 Jahren aussieht. Und wenn wir den Stahl nicht hinkriegen, dann werden wir uns schwertun mit dem Rest. Und das ist ganz klar: Es wird ohne grünen Stahl nicht funktionieren.
Ute Neuhaus: Herr Eckert, Sie haben es gerade schon leidenschaftlich beschrieben und, sagen wir mal, Ihre Sicht geäußert als Familienvater, als Verbraucher, als derjenige, der ja mit den Konsequenzen umgehen muss. Das heißt, wir kommen jetzt mal zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern: Wie sehen die denn die grünen Produkte, wie nachhaltig sind Ihre Kundinnen und Kunden, was sind die Forderungen?
Konstantin Eckert: Ich denke, man darf sagen, wenn sich ein Kunde für die Marke Miele entscheidet, dann steckt dahinter eine bewusste Entscheidung – auch mit dem Anspruch, nachhaltige Produkte zu kaufen. Und dieser Anspruch, der wächst. Die Menschen wollen nachhaltige und ressourceneffiziente Produkte, um eben ihren eigenen Beitrag für die Umwelt und das Klima zu leisten.
Ute Neuhaus: Verbraucherinnen und Verbraucher, da komme ich jetzt nochmal zu einem anderen Aspekt, die sind ja auch Bewerberinnen und Bewerber. Spielt das eigentlich auch eine Rolle bei Ihrem Recruiting, bei den Fachkräften, die Sie gewinnen wollen? Stellen diejenigen, die sich bewerben, auch Fragen in Richtung Nachhaltigkeit bei Miele?
Konstantin Eckert: Kann man ganz klar mit „Ja“ beantworten. Also, es ist ja im Allgemeinen schon so zu beobachten, dass sich gerade in den letzten Jahren die Bewerber und ihre Bedürfnisse bezüglich ihres neuen Arbeitgebers ein bisschen gewandelt haben. Es geht auch viel um Vereinbarkeit von Beruf, Familie etc., Entwicklungsmöglichkeiten, Lernmöglichkeiten, aber eben, genau wie Sie angesprochen haben, Frau Neuhaus, das Thema Nachhaltigkeit. Und wir bewerben ganz konkret das Thema ‚Veränderung CO2-Footprint Einkaufsmaterial‘ bei Miele. Hier habt ihr die Möglichkeit, aktiv einen Beitrag zu leisten. Und das ist etwas, was viele begeistert beziehungsweise interessiert.
Ute Neuhaus: Wie machen Sie das intern wahrnehmbar? Gibt’ es da Beispiele, was Sie so tun, so ganz konkret zum Anfassen?
Konstantin Eckert: Das geht los mit – ich gebe Ihnen jetzt mal ein Beispiel – mit Aktionstagen: Es gibt einen autofreien Tag. Das geht weiter mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich im Team mit der Nachhaltigkeit unseres Unternehmens auseinandersetzen und eine ganz wichtige Rolle spielen, indem sie uns als Unternehmen zeigen: Wo stehen wir, was sind unsere Ziele, wo wollen wir uns hin entwickeln als Unternehmen?
Ute Neuhaus: Also die Hersteller der Endprodukte, die Verbraucherinnen und Verbraucher und auch die Beschäftigten – alle kümmern sich um mehr Nachhaltigkeit, alle haben dieses Thema, ja, im Mindset, kann man sagen. Der Druck ist also auch auf die Stahlbranche hoch. Herr Dr. Gierse?
Dr. Matthias Gierse: Ja, vielleicht nochmal zwei Zahlen zum Stahl: Wir haben im Jahr 2021 nach neuesten Zahlen von Worldsteel knapp zwei Milliarden Tonnen Stahl weltweit produziert. Dabei sind mehr als drei Gigatonnen CO2 emittiert worden und das entspricht etwa acht Prozent der weltweiten Gesamtemissionen von CO2. Diese Zahlen zeigen auf, dass eine Reduzierung der ausgestoßenen Klimagase bei der Stahlproduktion zwingend notwendig ist, um den Pfad der Klimaneutralität global überhaupt nur beschreiten zu können.
Hierzu müssen allerdings wesentliche, zentrale Voraussetzungen geschaffen werden, weil in Zukunft nur grüner Stahl produziert werden kann, wenn bestimmte Grundbedingungen erfüllt sind. Und diesen Wandel muss die Politik natürlich mitbegleiten. Das muss auf breiter Ebene getragen sein, das kann die Stahlindustrie und die dahinterstehende Zulieferkette nicht alleine bewältigen. Wir haben ja einmal immense Investitionen in Stahlerzeugungsinfrastrukturen zu leisten; man spricht von einem Investitionsvolumen von etwa einer Milliarde Euro pro Millionen Tonnen. Die deutsche Stahlproduktion liegt bei ungefähr 40 Millionen Tonnen. Das ergibt 40 Milliarden Euro Investitionsvolumen, das alleine für Deutschland erforderlich wäre, um auf eine grüne Erzeugung umzustellen.
Hierfür ist grüner Wasserstoff in gigantischen Mengen erforderlich. Der grüne Wasserstoff würde dann benutzt, um damit den heute durch Kohlenstoff getragenen Prozess abzulösen. Wir brauchen also einmal die Erzeuger von Wasserstoff, von grünem Wasserstoff, die dafür erforderlichen grünen Strommengen, und last but not least brauchen wir natürlich auch eine Leitungsinfrastruktur, eine Pipelineinfrastruktur, die diese Wasserstoffmengen dann transportieren kann. Dafür wird es internationale Liefernetzwerke geben müssen. Das führt am Ende des Tages zu einer Verteuerung der Produktionsprozesse und wird die globale Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der Stahlindustrie in Europa, sondern auch der Zulieferer, die dahinter sitzen, unter schwere Anspannung stellen.
Ute Neuhaus: Hohe Kosten – hohe Kosten für alles Mögliche: für Investitionen in den Werken, für Wasserstofferzeugung, für Infrastruktur… Ja, dann geht’s doch irgendwann ums Geld, es geht um Wettbewerbsfähigkeit. Und da ist die Frage, Herr Eckert: Wie hoch ist denn bei den Kunden die Bereitschaft, dafür auch Geld zu bezahlen?
Konstantin Eckert: Also, jetzt muss man natürlich in dem Zusammenhang dann auch mal konkret gegenrechnen: Was bringt mir denn die Langlebigkeit, die sehr guten Verbrauchswerte – nicht nur nachhaltig interessant, sondern auch aus einer finanziellen Sicht dann wiederum sehr interessant. Ich habe die Überzeugung, dass in spätestens zwei, vielleicht drei Jahren die CO2-Emissionen mit derselben Energie von den Einkaufsabteilungen dieser Welt vorangetrieben wird wie das Thema Euro. Der Euro war immer die bestimmende Größe für uns im Einkauf, das hat uns geleitet, dort haben wir unsere Ziele. CO2 wird genauso wichtig werden. Und wir werden unsere Lieferanten – Entschuldigung jetzt für den Ausdruck – aber damit konfrontieren. Wir werden nicht mehr nur über Kosten sprechen. Wir werden genauso mit derselben Energie, mit demselben Ressourcenaufwand über CO2-Emissionen sprechen. Und das wird Hand in Hand gehen, da bin ich fest überzeugt. Das ist ein Kulturwandel für uns im Einkauf und das ist ein Kulturwandel auf der Lieferantenseite.
Ute Neuhaus: Das heißt, ich würde mal so zusammenfassen: Es gibt dann nicht nur einen Markt für irgendwie Materialeigenschaften, sondern auch für CO2. Wie groß ist denn, mal so in der Breite der Kundschaft, die Nachfrage nach grünen Produkten und was kann Waelzholz anbieten, im Moment, jetzt schon?
Dr. Matthias Gierse: Die Nachfrage nach CO2-reduzierten Stahlprodukten ist in jeden Fall da und wir sehen auch, dass sie sukzessive ansteigt. Also, wenn wir jetzt über unseren Kunden Miele sprechen, der im Konsumergeschäft tätig ist, dann ist dort der Druck normalerweise größer als bei Kunden, die im B2B beispielweise Tier Supplier für die Automobilindustrie sind.
Ich persönlich bin fest überzeugt, dass sich die Nachfrage nach CO2-reduzierten und zukünftig dann auch CO2-freien Stählen in den nächsten Jahren ganz massiv entwickeln wird. Wir haben auch schon erste CO2-arme Warmbandcoils verarbeitet und haben da festgestellt, dass wir technisch, technologisch, keine Schwierigkeiten mit den Produkten haben, auch qualitativ zu guten Ergebnissen kommen. Die CO2-Einsparung kommt dadurch, dass Schrott eingesetzt wird als Rohstoff, und Schrott ist bilanziell eben mit CO2 gleich Null bewertet. Man muss aber sehr vorsichtig sein bei der Interpretation dieser Zahlen. Wir müssen uns darüber bewusst sein: Die weltweit verfügbare Schrottmenge ist begrenzt und wird zu 100 Prozent recycelt.
Wenn ich jetzt mehr EAF-Stähle verwende, dann führt das nicht dazu, dass die CO2-Emissionen global abgesenkt werden, sondern es führt nur zu einer unterschiedlichen Allokation. Also, im Grunde ist das ein Nullsummenspiel, zumindest im globalen Maßstab. Deshalb werden wir die ersten echten CO2-Einsparungen 2025/26 mit der ersten verstärkten Produktion von direktreduziertem Eisen erfahren. Das ist noch ein sehr, sehr weiter Weg. Es wird wahrscheinlich auch so sein, dass diese Direktreduktionsanlagen zunächst mal nicht mit grünem Wasserstoff betrieben werden können, weil es den zu der Zeit noch gar nicht gibt. Diese Anlagen müssten dann mit Gas als Reduktionsmittel betrieben werden, aber selbst das reduziert den Footprint der Stahlproduktion um ungefähr 50 Prozent.
Der Weg ist beschritten, der wird jetzt auch von allen großen europäischen Hüttenwerken gegangen und am Ende des Tages müssen wir im Einkauf dafür sorgen, dass wir uns die daraus resultierenden CO2-reduzierten Mengen sichern und dann auch vermarkten.
Ute Neuhaus: Wir haben schon gehört, der Weg ist nicht ohne Kosten zu beschreiten. Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Ja, und wer zahlt ihn am Ende? Wenn man sich nochmal so auf den Stuhl des Verbrauchers setzt, bei Miele, werden dann die steigenden Kosten für den grünen Stahl an den Endverbraucher weitergegeben, an den Käufer der Produkte?
Konstantin Eckert: Jetzt mal wieder nur auf den Stahl geschaut, ist vielleicht ganz interessant, sich auch mal die Jahre ’21 und jetzt auch noch ’22 anzuschauen. Wir haben speziell in diesen Jahren eine Entwicklung am Stahlmarkt gesehen, die wir so noch nicht gesehen haben. Wir haben eine weitestgehende Entkopplung von Preisen und Herstellerkosten gehabt. Das heißt, die Verkaufspreise für Stahl sind massiv gestiegen und in derselben Höhe sind die Herstellerkosten nicht gestiegen. Etwas, das in dieser Form nicht an den Kunden komplett weitergegeben werden konnte – nein, das wird nicht komplett durchgereicht. Am Ende des Tages wird jeder in der Wertschöpfungskette so seinen Beitrag leisten müssen und die Hoffnung ist, dass sich die Stahlindustrie die eine oder andere Möglichkeit erwirtschaftet hat in den letzten zwei Jahren, um dieses Thema noch schneller voranzutreiben.
Ute Neuhaus: Herr Dr. Gierse, wie sehen Sie das denn?
Dr. Matthias Gierse: Also bei Rohstoffen und Energie ist eine Kostensteigerung völlig unausweichlich, was letztlich natürlich dann die Endprodukte auch verteuert. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir mittel- bis langfristig diese Kostenwelle durch die Lieferkette, durch die Liefernetzwerke durchreichen müssen, und der Endverbraucher die Zeche zahlen muss. Wir zahlen hier auf die Zukunft unserer Kinder und unserer Enkel ein. Die Aufgabe ist so groß, der Stein ist so schwer, der da gehoben werden muss, dass wir ihn alle schultern müssen.
Ja, mit Blick voraus: Ich persönlich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren da erhebliche Fortschritte machen werden, dass wir vielleicht 2030, 2035 tatsächlich große Schritte vorangekommen sind. Davon bin ich persönlich überzeugt.
Ute Neuhaus: Ja, wenn ich jetzt nochmal so resümiere, dann haben wir einerseits erfahren, was der vielseitige Werkstoff Stahl leisten kann, und dass exzellente Endprodukte auch exzellenten Stahl benötigen. Und dass er essenziell ist für viele Bereiche in unserem Leben und auch unter anderem dafür, dass eben die eingangs erwähnte Waschmaschine sparsam wäscht und lange hält – möglicherweise 20 Jahre.
Aber nur, wenn der Stahl grün wird, dann können die Endprodukte und die Unternehmen auch vollständig klimaneutral werden. Und Herr Eckert, Sie haben es treffend auf den Punkt gebracht: Nachhaltigkeit und Unternehmenserfolg werden zwei Seiten derselben Medaille sein. Steel to Zero ist also unausweichlich und die Transformation hat begonnen.
Wir haben von den Markt- und Technologieführern Miele und Waelzholz gehört, wie intensiv sie sich vorbereiten und auf welche Weise sie sich den Aufgaben stellen. Herr Eckert, Herr Dr. Gierse, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit, für die Ein- und Ausblicke, die Sie uns heute gegeben haben. Ich möchte mich nochmal ganz herzlich bei Ihnen beiden bedanken.
Konstantin Eckert: Das hat sehr viel Spaß gemacht, vielen Dank.
Dr. Matthias Gierse: Ganz herzlichen Dank, auch mir hat das sehr viel Spaß gemacht.
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Ute Neuhaus: Wir haben verstanden: Grüner Stahl, dieses ambitionierte Ziel kann auch nur gemeinsam gelingen. Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielen Dank, dass Sie auch bei der dritten Folge unseres Podcasts Steel to Zero dabei waren.
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Ute Neuhaus: Bleiben Sie gut informiert mit Steel to Zero, dem Nachhaltigkeits-Podcast von Waelzholz. Jetzt mit einem Klick anhören unter waelzholz.com/steeltozero. Und denken Sie daran: Waelzholz mit A E.
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