Messer für Schneid-, Stanz- und Rilllinien stellen an die dafür eingesetzten Werkstoffe ganz besondere Anforderungen. Für die Fertigung der Messer mit engen Radien muss der Bandstahl gut biegbar, aber gleichzeitig enorm fest sein. Zudem erfordert die im späteren Einsatz benötigte Kantenschärfe eine außerordentliche Härte der Schneidspitze. Eine Lösung für die Synthese dieser widersprüchlichen Eigenschaften bietet eine Sonderform des bainitisch vergüteten Bandstahls von Waelzholz, welcher im speziellen Open-Coil-Verfahren geglüht wird.
Bandstahl für Stanz- und Schneidlinien: Härte & Biegbarkeit vereint
Ob Schneiden, Rillen, Perforieren oder Stanzen von Papier, Kartonagen, Textilien, Leder, Kunststoffen und anderen Materialien – Messer für die Bearbeitung jener Produkte müssen verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Einerseits wird ein besonders harter Stahlwerkstoff benötigt. Der Grund: Im Stanz- oder Schneidvorgang werden hohe Drücke auf den Messerquerschnitt ausgeübt, dem das Messer über eine möglichst lange Lebensdauer standhalten muss, ohne sich zu verbiegen. Eine Besonderheit ist zudem die Schneidspitze, die aufgrund der nötigen Anschärfung und ihres dann noch geringeren Querschnitts einen höheren Härtegrad benötigt.
Dem entgegen steht jedoch eine weitere Anforderung: Die Halterungen in den Schneid- und Stanzwerkzeugen erfordern eine Umformung der Messerrücken in zumeist sehr eng geführten 90°-Radien. Klassische, harte Stahlwerkstoffe würden im Umformprozess an der gedehnten Außenseite dieser engen Radien brechen. Um beide Anforderungen – Biegbarkeit und Festigkeit – zu erfüllen, fertigt Waelzholz bainitisch vergüteten Bandstahl, der durch ein spezielles Glühverfahren unterschiedliche Härtegrade innerhalb des Bandquerschnitts aufweist.
Open-Coil-Glühverfahren für unterschiedliche Härtegrade
„Mit unserem speziellen Open-Coil-Glühverfahren sind wir in der Lage, den Kohlenstoffgehalt über den Querschnitt des Werkstoffs unterschiedlich und hochexakt einzustellen“, erklärt Stephan Müller aus der Qualitätssicherung im Waelzholz Werk Wickede, Deutschland. „Dabei wird die Bandoberfläche entkohlt und somit weich, der Werkstoffkern hingegen bleibt hart und wird durch die anschließende bainitische Vergütung noch fester.“ Open-Coil bedeutet, dass die Bandstahlcoils für den Glühvorgang auf einer speziellen Umwickelanlage abgewickelt und mit gewellten Drähten zwischen den Oberflächen wieder aufgewickelt werden (siehe nachstehende Bebilderung). So entstehen Freiräume zwischen den Bandwicklungen. Die frei liegenden Bandoberflächen lassen sich nun im Glühvorgang beidseitig entkohlen. So ergibt sich eine bessere Biegbarkeit des im Kern weiterhin harten Materials.
In einem speziellen Umwickelverfahren wird gewellter Draht zwischen die einzelnen Bandschichten eingewickelt, sodass Freiräume entstehen. Durch diese Freiräume zirkuliert im Glühprozess Wasserstoff, mit dem der Kohlenstoff in den Werkstoffoberflächen reduziert wird.
Weiche Werkstoffoberflächen ermöglichen enge Messerradien
Stephan Müller erklärt: „Im Gegensatz zum klassischen Glühen, wobei eine Entkohlung durch den Einsatz von Schutzgas vermieden wird, nutzen wir beim Open-Coil-Glühen gezielt Wasserdampf, um den Kohlenstoff in den Bandoberflächen zu reduzieren. Eine unserer Kompetenzen ist hierbei, den Kohlenstoffgehalt exakt gemäß den Kundenanforderungen zu steuern und eine hohe Gleichmäßigkeit über die gesamte Bandlänge sicherzustellen.“ Die Entkohlungstiefe lässt sich genau justieren und kann bis zur vollständigen Entkohlung reichen. Möglich wird die Genauigkeit des Entkohlungsgrades durch die langjährige Erfahrung mit einem ausgeklügelten Glühprozess. „Die exakt eingestellte Glühzeit, darauf abgestimmte Temperaturverläufe und definierte Wassermengen im Glühverlauf sind nur drei von vielen Parametern, die es hierfür zu beherrschen gilt“, so der Werkstofftechniker. Für die benötigte Gleichmäßigkeit des Entkohlungsgrades über die Bandlänge sorgen unter anderem eine homogene Verteilung von Temperatur und Wasserdampf. Müller: „Neben der Prozesseinstellung spielt hierbei die exakte Wicklung der Coils mit den gewellten Drähten als Distanzlagen eine Rolle, die eine definierte Konvektion, also Luftzirkulation zwischen den einzelnen Windungen, ermöglichen muss. Hierfür haben wir eine ganz speziell ausgelegte Umwickelanlage.“
Harter Materialkern für robuste Messer von Stanz- und Schneidlinien
Für die Weiterverarbeitung des Bandstahls durch den Kunden ist neben weichen Werkstoffoberflächen zur Formung enger Messerradien ebenfalls relevant, dass sich die Spitze des späteren Messers gut anschärfen lässt und eine sehr hohe Härte aufweist. Dafür wird der im Open-Coil-Verfahren geglühte Bandstahl im Werk Plettenberg nach der Reduktion auf die gewünschte Banddicke bainitisch vergütet. Matthias Nagel, verantwortlich für die Qualitätssicherung im Waelzholz Werk Plettenberg, Deutschland, erläutert: „In diesem Prozess ist es besonders wichtig, das Band langsam und gleichmäßig zu erwärmen, damit sich die entkohlte Oberfläche nicht wieder mit Kohlenstoffatomen aus dem Materialkern ‚vermischt‘. Zudem wird dem Vergüteofen Wasser hinzugefügt, um die Entkohlung der Bandoberfläche beizubehalten. So bleibt das Material an den Außenrändern weich, während sich das Materialinnere durch die Umwandlung des Gefüges verfestigt.“ Das finale, sehr homogene bainitische Gefüge bietet beste Voraussetzungen für den Schliff und für eine nachträgliche Wärmebehandlung der geschliffenen Kante zu hartem Martensit durch den Kunden. Eine Besonderheit von Waelzholz ist, die Härte des Materialkerns durch die bainitische Vergütung exakt nach Kundenwunsch einzustellen. So sind zum Beispiel Härten von 375-425 HV möglich. Je härter das zu durchtrennende Material, desto härter muss auch das Materialinnere sein, damit sich das Messer im Schneidprozess nicht verbiegt.
Vorteile des Open-Coil-geglühten, bainitisch vergüteten Bandstahls von Waelzholz
- hohe Festigkeit des Materialkerns
- Härte im Kern exakt nach Kundenwunsch einstellbar
- nachträgliche Wärmebehandlung zum Beispiel nach einem Kantenschliff zu Martensit möglich
- Rand-Entkohlungstiefe exakt nach Kundenwunsch einstellbar
- gute Umformbarkeit bei extrem engen Biegeradien
Einzigartiger Verbundwerkstoff dank technischem Know-how und Anlagenpark
„Es lässt sich durchaus sagen, dass unser Bandstahl für Schneid-, Stanz- und Rilllinien ein Verbundwerkstoff ist, da er unterschiedliche Härten innerhalb der Banddicke aufweist“, so Nagel. „Unser Fertigungs-Know-how und unser hochmoderner Anlagenpark ermöglichen es, den richtigen Kohlenstoffgehalt an der richtigen Stelle im Werkstoff exakt für den Kunden einzustellen, damit ihm für die Weiterverarbeitung und den finalen Gebrauch beste Werkstoffeigenschaften zur Verfügung stehen.“